Kapitel 9
Tuma öffnete seine Augen. Verblüfft erkannte er, dass er von seiner Wunde ohnmächtig geworden sein musste, womit er Stronius alleine einer Konfrontation mit zwei tödlichen Baterra überließ.
Das Schlimmste war eingetreten. Stronius lag bewusstlos auf dem Boden, nicht weit entfernt. Seine Kriegskeule und sein Thornax-Werfer waren nirgends zu sehen. Tuma wusste, dass er kaum eine Chance hatte, die Baterra alleine aufzuhalten, aber er würde es versuchen müssen. Er griff nach seinem Schwert ... aber es war weg. Genau wie sein Werfer.
Er war wehrlos.
Tuma zwang sich schmerzerfüllt auf die Füße. Sein Rücken pochte vor Schmerz. Der Angriff des Baterra hatte seine Rüstung durchdrungen und etwas von dem organischen Gewebe darin beschädigt. Er konnte immer noch kämpfen und wenn er eine Waffe hätte, da war er sich sicher, würde er mindestens einen Baterra mit sich nehmen können. Wie die Dinge standen, war alles, was er tun konnte, seinem Tod wie ein wahrer Skrall zu begegnen.
„Also, macht schon“, rief er den Baterra entgegen. „Bringt das zu Ende!“
Die Baterra rückten nicht vor. Sie schienen verwirrt, wenn so ein Wort für Maschinen verwendet werden konnte.
„Tut mir leid, Tuma. Da wirst du enttäuscht werden.“
Der Skrall-Anführer wirbelte bei dem Geräusch herum. Es war Metus, unbewaffnet, der sich gegen einen Felsen lehnte, als wäre ihm die ganze Welt egal. Während der Skrall überrascht zuschaute, lief Metus zu den beiden Baterra hin und betrachtete sie, als wären sie nur Nervensägen.
„Geht weiter. Hier gibt es nichts zu sehen“, sagte er zu den beiden mechanischen Kriegern.
Zu Tumas Verwunderung taten die Baterra genau das. Sie drehten sich um und gingen davon! Sein erster Gedanke war finster: dass Metus in Wirklichkeit die Baterra befehligte und für all die Skrall-Tode verantwortlich war, die sie verschuldet hatten, ganz zu schweigen von all den anderen Kriegern, die sie damals im Kernkrieg nieder estreckt hatten.
Metus war schlau genug, zu erraten, wohin Tumas Gedanken wohl gehen würden. Er wandte sich dem Skrall mit ausgestreckten Armen zu. „Nun, Tuma, wenn ich sie kontrollieren würde ... Wenn ich Eure Legionen und Eure Festungen dezimiert hätte ... warum würde ich Euch dann am Leben lassen, damit Ihr mir möglicherweise einen Dolch in den Rücken rammt? Benutzt Euer Gehirn. Erinnert Euch daran, was ich Euch gesagt habe.“
Tuma stürmte vor, seinen Schmerz ignorierend, und versetzte Metus einen Rückhandschlag, der den Agori zu Boden gehen ließ. „Ich bin deiner Frechheit müde geworden. Ich brauche keine Waffe, um dein Leben zu beenden.“
„Ich habe soeben Euer Leben gerettet, Eures und das von Stronius“, spie Metus. „Ein einfaches 'Dankeschön' hätte gereicht.“
Mehr denn je wollte Tuma Metus' Mund für immer schließen. Aber er konnte nicht der Wahrheit entkommen, die der Agori ausgesprochen hatte. Die Baterra waren in einer perfekten Position gewesen, um ihn und seinen Elitekrieger zu töten, hatten es aber nicht getan. Weshalb?
„Du sagtest, du hättest ein Geheimnis ... einen Weg, die Baterra aufzuhalten“, sagte Tuma. „Ist es das, was ich hier heute gesehen habe?“
Metus stand auf. „So in etwa. Ihr seid nicht tot, oder? Ja, ich kenne ein Geheimnis, und es ist keines, auf das irgendein Skrall je von selbst kommen würde.“
Der Agori lächelte. Zur Abwechslung sagte er tatsächlich mal die Wahrheit. Vor langer Zeit, in den letzten Tagen des Kernkrieges, war Metus per Anhalter bei einer Nachschubkarawane mitgefahren, die zu einem Außenposten der Eisarmee unterwegs war. Normalerweise hätte er sich lieber selbst durchgeschlagen, aber seine Eisaxt war zerbrochen und hatte eine Reparatur nötig. Er hatte keine Zeit gehabt, um eine neue Waffe aufzutreiben, und konnte sich nicht sonderlich mit dem Gedanken anfreunden, unbewaffnet durch ein Kriegsgebiet zu reisen.
Die Wagen wurden von einem Dutzend Baterra aus dem Hinterhalt angegriffen. Die Eiskrieger und andere Agori lieferten ihnen einen Kampf, aber keiner von ihnen überstand das Gefecht. Während alledem jedoch ignorierten die Baterra Metus einfach. Selbst, als er die Zügel eines Wagens ergriff und sich davonmachte, nahmen sie nicht die Verfolgung auf. Die Frage nach dem Warum verfolgte ihn auf dem ganzen Weg bis zum Außenposten. Als er ankam, sagte er den Kriegern dort, dass er früh im Gefecht bewusstlos geschlagen worden war und unter einen Wagen gerollt sein musste, wo die Angreifer ihn nicht sehen konnten. Sie schienen die Erklärung zu akzeptieren.
Metus wusste es natürlich besser. Etwas an ihm war anders gewesen, etwas, das die Baterra dazu führte, sein Leben zu verschonen. Sobald er das erkannt hatte, war die Antwort verblüffend offensichtlich.
Ich war unbewaffnet, dachte er. Diese Kreaturen töten Krieger auf jeder Seite. Ihre Definition von „Krieger“ umfasst jeden, der eine Waffe trägt.
Jetzt stand er hier, Jahre später, scheinbar das einzige Wesen, dem diese Verbindung aufgefallen war. Die Skrall würden niemals eigenständig darauf kommen und selbst wenn, würden sie es nie tun wollen – sie würden sich eher ihre Arme abschneiden, bevor sie ihre Waffen niederlegen würden. Als er Tuma und Stronius beide bewusstlos sah, warf er seine Eisaxt beseite und eilte hinab, um ihre Waffen weit weg von ihnen zu kicken. Das ließ die Baterra erstarren, da ihre Programmierung nicht das Angreifen unbewaffneter Wesen beinhaltete.
„Ihr seid mir was schuldig“, sagte Metus. „Ich glaube, es ist an der Zeit, dass wir über Bezahlung reden.“
„Unsere Abmachung steht“, knurrte Tuma. „Geh nicht zu weit, Agori.“
„Wirklich? In Ordnung, dann kann ich die Baterra jederzeit hierher zurückholen. Ihr könnt versuchen, mit ihnen zu verhandeln. Oder Ihr könnt mit mir reden wie ein ... zivilisierter Kriegsherr.“
Stronius wachte auf. Metus beschloss, dieses Gespräch besser schnell zu Ende zu bringen. Stronius würde ihn in Hälften brechen, ob es nun im besten Interesse der Skrall war oder nicht.
„Hört zu, Ihr seid ein großer und mächtiger Anführer“, sagte der Agori. „Ihr werdet recht bald der Herrscher von Bara Magna sein und mit meiner Hilfe werdet ihr die Baterra auslöschen. Aber nur für den Fall, dass etwas falsch laufen sollte... sagen wir mal, falls Ihr im Kampf getötet werden solltet... sollte jemand bereit stehen, um in Eure Fußstapfen zu treten, meint Ihr nicht auch?“
„Wenn ein Anführer fällt, übernimmt ein Elitekrieger“, erwiderte Tuma, dem bereits nicht gefiel, in welche Richtung das ging.
Metus lachte. „Stronius? Also bitte. Der Kerl könnte nicht einmal ein Spikit zum Abendessen ausführen. Und ich werde nicht mit ihm arbeiten, was heißt, dass die Baterra eure letzte Legion in Stücke reißen werden. Nein, ich dachte da eher an ... mich.“
Jetzt war es an Tuma, vor Lachen zu brüllen. „Du?? Du bist kein Skrall, nur ein elender Verräter an deiner eigenen Art. Vielleicht sollte ich dich den Agori übergeben und dich ihrer Justiz überlassen, Metus.“
Metus verschränkte die Arme vor seiner brust. Als er sprach, hatte seine Stimme nichts von ihrem üblichen Getöse. Sie war kalt und flach. „Das sind meine Bedingungen. Wenn Ihr getötet werdet oder nicht mehr imstande seid, die Führung innezuhaben, gehorcht die Legion mir. Ansonsten tötet mich einfach jetzt, Tuma. Mein Tod wird nur etwas schneller kommen als der Eure und der des Rests Eurer Krieger.“
„Die werden das niemals akzeptieren“, sagte Tuma. „Sie werden niemals Befehle von einem Agori annehmen.“
Metus kicherte. „Wenn Ihr fallt, werden die Dinge so verzweifelt liegen, dass sie sogar Befehle von einem Hornochsen wie Stronius annehmen würden. Egal, lasst das meine Sorge sein. Haben wir eine Abmachung?“
„Fürs Erste“, sagte Tuma. „Aber sobald die Baterra besiegt sind...“
„Stehe ich alleine da“, beendete Metus für ihn. „Verstanden. Nun, seid unbekümmert – all das wird bald vorbei sein und Euch kann nichts passieren, oder? Ihr amüsiert nur einen Agori.“
„Ja“, stimmte Tuma zu. „Ja, es wird alles vorbei sein. Alles ... und jeder ... wird zu gegebener Zeit sein Ende finden.“
Metus lächelte. Er holte schnell seine Eisaxt zurück und „entdeckte“ dann fröhlich, wo die Skrall-Waffen hingefallen waren. Es war ein guter Tag gewesen. Vielleicht würde Tuma tatsächlich die Dörfer und die Baterra zu gegebener Zeit bezwingen, aber der Skrall-Anführer hatte einen gefährlichen Beruf. Es gab immer das Potential für Unfälle. Natürlich mochte es auch weise sein, Stronius in den „Unfall“ mit einzubeziehen, wenn das überhaupt möglich war. Der Gedanke war sehr unterhaltsam und er amüsierte ihn auch weiterhin auf dem ganzen Rückweg nach Roxtus.
Was Tuma betraf, so hatte er seine eigenen Gedanken. Er würde seiner Legion eine formelle Ankündigung machen müssen, eine, die zu glauben ihnen schwer fallen würde. Aber er würde auch Stronius eine geflüsterte Anordnung geben: sollte ihm irgendetwas im Kampf zustoßen, selbst ein edler Tod durch die Hände eines Glatorianers, sollte der Elitekrieger unverzüglich Metus ermorden.
Ja, alles geht zu Ende, sagte Tuma zu sich selbst. Aber manche Enden sind schmerzhafter als andere, mein Agori-Freund. Bete, dass du niemals herausfinden wirst, wie schmerzhaft genau.
Tuma lächelte und beschloss, sich die ganze Sache vorerst aus dem Kopf zu schlagen. Er hatte immerhin eine Welt zu gewinnen.